Schuldnerberatung kritisiert Fehler im Gesetzgebungsverfahren
Mit der Lohnabrechnung im September 2022 wird eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro brutto an alle Personen ausgezahlt, die zum 01. September 2022 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Die Pauschale soll der Entlastung der Bevölkerung infolge der gestiegenen Energiepreise dienen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB) bezweifelt, dass die Energiepreispauschale bei überschuldeten Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt.
„Leider wurde versäumt, die Unpfändbarkeit der Leistung klar im Gesetz zu regeln.“ so die Geschäftsführerin der BAG-SB Ines Moers. „Nicht nur wurden ganze Gruppen von Geringverdienenden als Empfänger der Energiepreispauschale vergessen, z.B. Rentenbeziehende oder Studierende, sondern auch die riesige Gruppe der ver- und überschuldeten Menschen“, so der Verband weiter. „Sobald es eine Lohn- oder Kontopfändung gibt oder jemand in der Insolvenz ist, ist es mit viel Aufwand verbunden, die Pauschale ausgezahlt zu bekommen.“
Die Pauschale unterliegt der Steuerpflicht, so dass ohnehin nur der Nettobetrag zur Auszahlung kommt. Im Regelfall dürften damit bei den wenigsten Haushalten die vollen 300Euro ankommen, sondern meist deutlich weniger.
„Uns scheint, als sei die Lebensrealität der fast sieben Millionen überschuldeten Menschen im Gesetzgebungsverfahren wieder einmal komplett vergessen worden“, so Moers weiter. „Ähnliche Probleme gab es ja schon bei den Coronahilfen. Jetzt wäre es so einfach gewesen, die Pauschale von vornherein im Gesetz als unpfändbar zu deklarieren“. Doch das sei nicht geschehen. Der Fehler sei inzwischen wohl auch in Berlin aufgefallen und das BMF habe auf seiner Webseite zumindest für Lohnpfändungen klargestellt, dass die Leistung nicht als Arbeitslohn pfändbar ist. Unklar ist, ob die Lohnprogramme nach dieser Klarstellung arbeiten oder auf eine gesetzliche Regelung bestehen. Und wird nicht der Lohn, sondern das Konto gepfändet, reicht die Klarstellung des BMF auf keinen Fall aus.
„Es ist so ärgerlich. Normalerweise können wir Schuldnerberatungsstellen viele zweckgebundene Beträge wie z.B. einmalige Sozialleistungen über eine sog. P-Konto-Bescheinigung ganz unkompliziert freigeben, d.h. der Bank bestätigen, dass das Geld dem Schuldner oder der Schuldnerin zusteht. Doch in diesem Fall müssen wir die Menschen erst zum Gericht schicken.“ Der Verband stellt deshalb entsprechende Musterbriefe und eine Beratungsstellensuche auf seiner Webseite www.meine-schulden.de zur Verfügung, um den Menschen den Weg zum Erhalt der Pauschale möglichst leicht zu machen. Inwieweit die Gerichte den Freigabeanträgen stattgeben, bleibt allerdings auch noch abzuwarten.
Der Verband fürchtet daher, dass viele Menschen mit Schulden oder in der Insolvenz einfach nie etwas von der Energiepreispauschalesehen werden. „Den Schritt zum Gericht scheuen viele, andere Wissen nicht, dass es diese Möglichkeit der Freigabe gibt und viele trauen sich auch nicht zur Schuldnerberatung. Darum wird die Pauschale wohl eher beim pfändenden Gläubiger oder in der Insolvenzmasse landen, als für die kommende Energierechnung zur Verfügung zu stehen. Dann wiederum droht eine Strom- oder Gassperre und der Staat muss im Zweifel erneut finanzielle Hilfe leisten, um existenzielle Notlagen abzuwenden.“
Weitere Informationen für Beratungskräfte in Ausgabe #3_2022 der BAG-SB Informationen