Energiepreispauschale

Informationen und Arbeitshilfen für Beratungskräfte

Auf dieser Seite finden Fachkräfte in der Schuldner- und Insolvenzberatung weiterführende Infos zur Energiepreispauschale. Da gesetzlich nicht geregelt wurde, ob die Energiepreispauschale (un)pfändbar ist, kann es notwendig sein, vor Gericht klar zu argumentieren und/oder die aktuellen Diskussionen zur rechtlichen Beurteilung zu kennen.

Die Gründe und Argumente, die für eine Unpfändbarkeit sprechen, haben wir aufgenommen in unsere Musterbriefe und Informationen für Ratsuchende: 

www.meine-schulden.de/energiepreispauschale 

Jahressteuergesetz 2022 erklärt die EPP als unpfändbar

Das Jahressteuergesetz, dem Anfang Dezember vom Bundestag zugestimmt wurde, enthält eine Ergänzung des § 122 um folgenden Satz: "Die Energiepreispauschale ist in Höhe des in § 112 Absatz 2 genannten Betrages unpfändbar". Zu dieser Änderung wurde erklärt, dass damit eine tatsächliche Verfügung durch den Empfänger sichergestellt werden soll. Die Empfänger sollen damit die Möglichkeit bekommen, durch gestiegene Energiekosten entstandene Zahlungen zu leisten. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die EPP auch nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt und auf §36 InsO verwiesen.

 

Gesetzgebungsverfahren

„Die sprunghaft und drastisch gestiegenen Energiekosten sorgen für echte Härten, die mit der Energiepreispauschale kurzfristig und sozial gerecht abgefedert werden.“

Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (Seite 23)

FAQs des BMF

"Die EPP ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich."

FAQs des BMF (Punkt 27)

SPD in der Haushaltsdebatte vom 06. September 2022

In der 1. Beratung zum Haushalt 2023 (bzw. zum Entlastungspaket 3) wurde die Frage der (Un)pfändbarkeit von der SPD direkt angesprochen. Zitat Nadine Heselhaus: "Und damit Einmalzahlungen auch diejenigen erreichen, die bereits in den Schuldensog geraten sind, müssen wir klar regeln, dass sie unpfändbar sind, weil es nicht sein kann, dass dieses Geld am Ende Inkassounternehmen zufließt." Hier

Energiepreispauschale für Rentner_innen unpfändbar

Die Bundesregierung plant für Mitte Dezember 2022 eine EPP für Rentner_innen. In der 1. Lesung dieses Gesetzentwurfs kündigte Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil an, dass diese Unpfändbar sein wird: Video (ca. Minute 2:50)

Das ist auch im Gesetzentwurf unter Artikel 1 §4 Abs. 2 so festgehalten. Die Frage nach der Pfändbarkeit sollte hier also geklärt sein, sollte der Entwurf in dieser Form beschlossen werden.

Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB)

Wir fürchten, dass die Energiepreispauschale bei überschuldeten Haushalten nicht ankommt.

Deutscher Anwaltverein (DAV)

ARGE Insolvenzrecht & Sanierung im DAV fordert gesetzliche Regelung zur Unpfändbarkeit der Energiekostenpauschale. Hier

Prof. Dr. Hugo Grote in BAG-SB Informationen

In seinem Aufsatz in den BAG-SB Informationen Ausgabe #3_2022 stellt Prof. Dr. Hugo Grote verschiedene Szenarien und Fallkonstellationen vor und gibt Formulierungshilfen für Freigabeanträge bei Gericht.

Tenor: durch die Zweckbindung der EPP ist von der Unpfändbarkeit auszugehen. 

Sylvia Wipperfürth in ZInsO

RA Andreas Maurer kommentiert in den BAG-SB Informationen: "Die EPP ist eine steuerliche Vergütung, § 120 EStG, und wird wie eine steuerpflichtige Einnahme behandelt. Der Anspruch entsteht am 01.09.2022, § 114 EStG, und ist somit gem. § 46 Abs. 6 AO pfändbar. Die Ausführungen von Wipperfürth (ZinsO 33/2022, 1665ff), insbesondere zu § 851 ZPO, geben dabei grundsätzlich unsere Position wieder." 

Ähnlich auch RA Dr. Henning Seel in Wolters-Kluwer Online (Enthalten im digitalen Zugang für BAG-SB Info Abonnenten und Mitglieder)

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat einen Sachstand zur Pfändbarkeit der Energiepreispauschale veröffentlicht. Der wissenschaftliche Dienst bestätigt darin die Ansicht, dass die EPP nicht von einer Lohnpfändung betroffen sein dürfe, da sie nicht als Arbeitslohn aufzufassen sei, hält sie aber (unter anderem mit Verweis auf die Argumentation von Wipperfürth) für grundsätzlich Pfändbar.

Sachstand WD 7 - 3000 - 075/22 

Vorbild Österreich?!

Ähnliche Probleme mit Einmalzahlungen hatte es auch in Österreich gegeben. Aus dem Newsletter der Dachorganisation der Schuldnerberatungsstellen asb: „Laut österreichischem Parlamentsbeschluss vom 23. Juni 2022 wird die Einmalzahlung für geringe Einkommen über 300 Euro unpfändbar gestaltet. Gedacht ist sie für Beziehende von Mindestpensionen und Sozialhilfe, Arbeitslose und Personen mit geringem Einkommen. Mit einem Abänderungsantrag wurde sichergestellt, dass sowohl Klimabonus als auch Antiteuerungs-Bonus nicht gepfändet werden dürfen.

Bei einem vorangegangenen Entlastungspaket war es den Schuldenberatungen in letzter Minute gelungen, die Einmalzahlung über 150 Euro für Arbeitslosengeld-Beziehende unpfändbar zu gestalten. Es sei zu begrüßen, dass der Gesetzgeber dies diesmal von sich aus geregelt hat, so der Schuldnerberatungs-Dachverband asb.“

 

Stadt Duisburg zieht Lohnpfändungen zurück

Wie der WDR berichtet, hat die Stadt Duisburg zunächst versucht, die EPP mit dem Lohn zu pfänden. Nach entsprechender Intervention wurden die Pfändungen jedoch zurückgenommen.

In DATEV-Programmen als "unpfändbar" vermerkt

Auch die DATEV eG wird in ihren Lohnprogrammen die EPP als nicht pfändbar schlüsseln, da die Pfändung nicht im Sinne der Entlastung sein könne. Darüber hinaus berufen sie sich auf die FAQs des Finanzministeriums.

Über DATEV werden monatlich 14 Millionen Lohnabrechnungen erstellt.

LG Hildesheim

Beschluss vom 30.12.22, Az. 6 T 63/22

Das Landgericht Hildesheim hat den Beschluss 36 IK 319/22 des AG Gifhorn vom 4.11.22 aufgehoben und bestimmt, den Pfändungsfreibetrag des Insolvenzschuldners für September 2022 um die Energiepreispauschale zu ergänzen. Dabei beruft es sich vor allem auf die Neuregelung des §122 EStG vom 21.12.2022, durch die die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale ausdrücklich geregelt ist.

AG Hamburg

Beschluss vom 5.10.2022, Az. 67g IN 106/20

Das Amtsgericht Hamburg sieht die Energiepreispauschale in der Wohlverhaltensperiode als nicht Abtretungspflichtig nach §287 InsO. Die EPP dürfe demnach nicht durch den Treuhänder an die Gläubiger ausgezahlt werden.

AG Essen

Beschluss vom 17.10.2022, Az. 160 IK 84/22

Das AG Essen sieht die Energiepreispauschale im Insolvenzverfahren durch §851i ZPO i.V.m §399 Alt. 1 BGB als vor der Pfändung geschützt. Da nach der Gesetzesbegründung die EPP gestiegene Energiekosten mindern soll, sieht das Gericht sie als zweckgebunden und schutzwürdig an.

AG Darmstadt

Beschluss vom 16.11.2022, Az. 9 IK 453/22

Das AG Darmstadt beurteilt die EPP als nicht pfändbar im Insolvenzverfahren. Begründet wird diese Entscheidung mit dem Vollstreckungsschutz nach §765a ZPO. Der Zweck des Paragrafen sei es, “aus sozialen Gründen bei besonderen Härtefällen einen Schuldner vor Eingriffen zu schützen, die dem allgemeinen Rechtsgefühl widersprechen und im Einzelfall unangemessen sind”. Das Gericht erkennt die EPP als einmalige Steuerentlastung/ -verrechnung, die vom Gesetzgeber dafür gedacht ist, die entstandenen Mehrkosten für Arbeitnehmer auszugleichen. Da die Preissteigerungen auch berufstätige Schuldner treffen, müsse diese staatliche Leistung vor der Pfändung geschützt werden. 

 

Beschluss

AG Lüneburg

Beschluss vom 15.9.2022, Az. 46 IK 75/18

Auch das AG Lüneburg kommt zu der Entscheidung, dass die Pfändung der Energiepreispauschale nach §765a ZPO (i.V.m. §4 InsO) eine besondere Härte darstellen würde, die mit den guten Sitten nicht vereinbar sei. Deshalb sei die Energiepreispauschale freizugeben.

AG Norderstedt

Beschluss vom 15.09.2022, Az. 66 IN 90/19

Leitsatz

Die Energiepreispauschale gem. §§ 112 ff EStG ist pfändbar und unterfällt insbesondere dem Insolvenzbeschlag.

Tenor

Der Antrag des Schuldners vom 30.08.2022 auf Freigabe der Energiepreispauschale wird zurückgewiesen.

AG Aschaffenburg

Entscheidung vom 07.11.2022, Az. 654 IK 298/21

Das AG Aschaffenburg schließt sich der Einschätzung des AG Norderstedt an und hält die Energiepreispauschale für Pfändbar. Die Erklärung in den FAQs des Finanzministeriums, die EPP sei nicht von einer Lohnpfändung betroffen, reicht dem Gericht nicht aus, um einen klaren Willen des Gesetzgebers zur Unpfändbarkeit zu erkennen. Auch nimmt das Gericht entgegen der Einschätzung in den FAQs die EPP nicht als Sozialleistung wahr.


Aktueller Stand/ letzte Aktualisierung dieser Seite: 05. Januar 2022, 10:13 Uhr